Provision trotz Zielverfehlung?

RA Mag. Hanns David Hügel, Vinzenz Antensteiner

Erstellt am 7. Mai 2024

Verkaufsmitarbeiter:innen (kurz „Dienstnehmer“) sind begehrt wie selten zuvor. Dienstnehmer sind sich dessen zunehmend bewusst und treten immer selbstbewusster gegenüber Dienstgeber:innen (kurz „Dienstgeber“) auf. Dadurch häufen sich insbesondere Streitigkeiten hinsichtlich der Provisionshöhe, den zugrundeliegenden Vereinbarungen und der vom Dienstnehmer erzielten Umsätze. Worauf die Streitparteien achten müssen, erfahren Sie hier.

Ergebnis in Kürze

  • Provisionen sind Entgelt für die erfolgreiche Vermittlung von Aufträgen. Im Arbeitsrecht können Provisionen neben dem Fixum oder alleinstehend vereinbart werden. Wichtig ist eine klare Tätigkeitsbeschreibung im Dienstvertrag und/oder Provisionszielvereinbarung.
  • Provisionen sind normalerweise bei „Ausfallszahlungen“ wie Urlaubs- oder Krankgenentgelt zu berücksichtigen.
  • Dienstgeber sollten die Möglichkeit der einseitigen Änderung von Provisionsbedingungen nach billigem Ermessen vereinbaren. Kettenverträge (mehr als zweimalige, jährliche, nachteilige Anpassung der Provisionszielvereinbarung) sind zu vermeiden.
  • Wird der Dienstnehmer am Erzielen von Provisionen gehindert, so kann er seinen Ausfall gerichtlich durchsetzen, wenn dieser dem Dienstgeber zuzurechnen ist.
  • Provisionsvorauszahlungen können normalerweise eingestellt oder zurückgefordert werden.
  • Der Provisionsberechtigte hat ein Recht auf Abrechnung und kann dieses Recht mit Klage durchsetzen.
  • Der On- und Offboarding-Prozess ist im Zusammenhang mit Verkaufsmitarbeitern besonders wichtig, um nicht im Nachhinein mit ungerechtfertigten Forderungen konfrontiert zu sein. Auch während aufrechtem Dienstverhältnis sollten Umsätze, Zielerreichung regelmäßig besprochen werden, um Missverständnissen vorzubeugen.

Was sind Provisionen im Arbeitsrecht?

Die Provision ist ein erfolgsabhängiges, variables Entgelt, das für die Vermittlung von Geschäftsabschlüssen geleistet wird. Die Höhe der Provision richtet sich üblicherweise nach den erzielten Umsätzen. Die Parameter des konkreten Provisionsanspruchs werden in Provisionszielvereinbarungen festgelegt. Die dienstliche Tätigkeit und der Inhalt der Provisionszielvereinbarung sollten vor Vertragsabschluss im Einzelnen besprochen werden.
Insbesondere bei klassischen Vertriebstätigkeiten kann entweder nur eine Provision oder ein Fixgehalt und zusätzlich eine Provision vereinbart werden. Wählen die Vertragsparteien ein Entgelt, das nur aus einer Provision besteht, dann bildet das kollektivvertragliche Mindestentgelt die Untergrenze der Provision.
Die Provision wird gemäß dem sogenannten Ausfallprinzip in die Berechnung des Urlaubs-, Kranken-, Dienstfreistellungs- und Feiertagsentgelts sowie für die Berechnung der Abfertigung (Alt) einbezogen. Dabei wird ein Durchschnittswert berechnet und bei den genannten Ausfallsansprüchen berücksichtigt. Dies gilt jedoch nicht bei Direktprovisionen, die ohne Vermittlungstätigkeiten, dh auch während des Urlaubs oder Krankenstands ausgezahlt werden.
Will der Dienstgeber Provisionsziele regelmäßig anpassen, so ist er gut beraten sich ein Gestaltungsrecht nach billigem Ermessen im Dienstvertrag und/oder in der Provisionszielvereinbarung vorzubehalten. Jeweils einjährig befristete Provisionszielvereinbarungen, die ständig höhere Vorgaben ohne sachliche Rechtfertigung enthalten, können unzulässig sein, auch wenn diese Art der Vertragsanpassung in vielen Branchen üblich ist.

Haften Dienstgeber für gesunkene Provisionen des Dienstnehmers?

In der Praxis treten Provisionsstreitigkeiten oft bei unklaren Provisionsvereinbarungen, bei häufigen Änderungen der Zielvereinbarung und bei konfliktbeladenen Offboardings auf. Besonders einschneidende Veränderungen der Vertriebsstruktur und Preisumstellungen können dazu führen, dass nicht mehr dieselbe Provisionshöhe erreicht werden kann. Provisionsziele sollten während aufrechtem Dienstverhältnis regelmäßig besprochen werden. Ein unangenehmer „Offboarding-Prozess“ kann dazu führen, dass Dienstnehmer „aus Prinzip“ klagen, zumal viele Rechtsschutzversicherungen Arbeitsrechtsstreitigkeiten decken.
§ 1155 ABGB regelt, dass dem Dienstnehmer sein Entgelt für Dienstleistungen auch dann gebührt, wenn dieser dazu bereit war, die Dienstleistung aber durch Umstände, die auf Seiten des Dienstgebers liegen, verhindert wurde. Anderweitige Einkünfte sowie absichtlich Versäumtes muss sich der Dienstnehmer anrechnen lassen.
Auch das Angestelltengesetz enthält Bestimmungen zum Thema Provisionen (§§ 10 AngG ff.). Gemäß § 12 AngG wird dem Dienstnehmer eine Entschädigung für nicht verdiente Provisionen zugesprochen, wenn der Dienstgeber ihn vertragswidrig gehindert hat, Provisionen zu verdienen.

Was kann der Dienstgeber machen, wenn eine Zielverfehlung erwartbar ist?

Viele Provisionsvereinbarungen enthalten die Vereinbarung von Akonti auf den erwartbaren Provisionsanspruch. Dabei sollte vereinbart werden, dass solche Vorauszahlungen eingestellt und zurückgefordert werden können. Ist für den Dienstgeber absehbar, dass der Dienstnehmer ein Jahresziel nicht erreicht, dann können Provisions-Vorauszahlungen grundsätzlich eingestellt werden. Auch eine Rückzahlung von zu viel bezahlten Akonti ist normalerweise zulässig. In manchen Kollektivverträgen ist eine Rückforderung von Vorauszahlungen jedoch ausgeschlossen.

Auskunftsrecht des Dienstnehmers bei Beendigung des Dienstverhältnisses:

Ein Recht auf Offenlegung der Provisionsgrundlagen und Vorlage einer Abrechnung bzw. Buchauszug hat der Dienstnehmer gemäß § 10 Abs 5 AngG. Dieses Recht kann mit Hilfe einer Rechnungslegungsklage durchgesetzt werden. Der Auskunftsanspruch ist in der Praxis sehr wichtig, weil nachlaufende Umsätze oft erst Monate nach Dienstende realisiert werden und Dienstnehmern gerade im Rahmen der Beendigung häufig keine zuverlässigen Umsatzzahlen zur Verfügung stehen.

Praxistipps:

Tipps bei Provisionszielvereinbarungen:

  • Die Vereinbarung sollte klare und nachvollziehbare Ziele enthalten.
  • Sie sollte aus Dienstgebersicht Änderungsrechte vorbehalten, um auf dynamische Marktsituationen reagieren zu können.
  • Diese Änderungen sollten nicht jährlich zum Nachteil des Dienstnehmers ohne sachliche Rechtfertigung vorgenommen werden.
  • Die Handhabung von Akonto-Zahlungen sollte vereinbart werden (Einstellung und Rückforderbarkeit).
  • Abrechnungen sollten regelmäßig vorgenommen werden, insbesondere bei Beendigung des Dienstverhältnisses.

 

Tipps für Führungskräfte:

  • Schon beim Onboarding sollte sichergestellt werden, dass der Dienstnehmer seine Aufgaben und die Provisionszielvereinbarung versteht.
  • Während aufrechtem Dienstverhältnis sollten Umsätze, Zielerreichung und die Einstellung von Akonti mangels Ziellerreichung besprochen werden. Änderungen sind unbedingt schriftlich festzuhalten.
  • Auch beim Ausscheiden des Dienstnehmers (Offboarding) ist auf Transparenz und Dokumentation zu achten. Ein nach Möglichkeit harmonischer Offboarding-Verlauf kann Rechtsstreitigkeiten vorbeugen.

Fazit:

Übersichtlich gestaltete Provisionszielvereinbarungen, die einen fairen Ausgleich zwischen Dienstnehmer- und Dienstgeberinteressen darstellen, können zu Win-Win-Situationen führen und ein „Umsatz-Booster“ sein. Ebenso können professionelle On- und Offboarding-Prozesse sowie regelmäßige und dokumentierte Feedback-Runden während aufrechtem Dienstverhältnis, Streitigkeiten über die Provisionshöhe vorbeugen. Intransparente, missverständliche und sich in regelmäßigen Abständen zum Nachteil des Dienstnehmers ändernde Provisionszielvereinbarungen können das Betriebsklima negativ beeinflussen und im schlimmsten Fall zu kostspieligen Verfahren führen, die Unternehmensressourcen binden.

 

Autoren: RA Mag. Hanns David Hügel, Vinzenz Antensteiner

Haftungsausschluss: Die Informationen in diesem Blogbeitrag dienen lediglich zu Informationszwecken und stellen keine Rechtsberatung dar. Für eine rechtlich verbindliche Beratung wenden Sie sich bitte direkt an mich.

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